05.06.2013

Betriebsbedingte Kündigung: Keine Heilung von Fehlern bei der Massenentlassungsanzeige

Der Fall

Über das Vermögen des Arbeitgebers wird ein vorläufiges Insolvenzverfahren eröffnet und ein vorläufiger „schwacher“ Insolvenzverwalter bestellt. Während des Eröffnungsverfahrens schließt der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat – und mit Zustimmung des Insolvenzverwalters – einen Interessenausgleich mit Namensliste, auf der auch der Arbeitnehmer steht. Die erstattete Massenentlassungsanzeige geht am 26.02.2009 bei der Agentur für Arbeit ein. Der Betriebsrat teilt in einem gesonderten Schreiben an die Agentur für Arbeit mit, dass er über die Erstattung der Anzeige informiert sei. Die Agentur für Arbeit bestätigt den Eingang der Anzeige noch am selben Tag und weist auf die Fristen nach § 18 KSchG hin. Später verkürzt die Agentur für Arbeit die Sperrfrist. Nach Eröffnung des „endgültigen“ Insolvenzverfahrens kündigt der Insolvenzverwalter dem Arbeitnehmer.

 Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 28.06.2012 – 6 AZR 780/10)

Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage, ob eine fehlerhafte Masseentlassungsanzeige des Arbeitgebers durch Bescheide der Agentur für Arbeit geheilt werden kann. In dem Fall fehlte entgegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG die Stellungnahme des Betriebsrats. Dessen schlichte Mitteilung, man wisse von der Erstattung der Massenentlassungsanzeige, stellt keine ausreichende Stellungnahme im Sinne der vorgenannten Norm dar. Daher stellte sich die Frage, ob der Fehler durch die späteren Akte der Agentur für Arbeit geheilt wurde. Dies wird vom Bundesarbeitsgericht verneint. 

Fazit

§ 17 KSchG verfolgt eigentlich arbeitsmarkpolitische Ziele. Die Agentur für Arbeit soll frühzeitig darüber unterrichtet werden, dass eine Vielzahl von Entlassungen bevor steht und hierdurch in die Lage versetzt werden, die ihr zu Gebote stehenden Maßnahmen zu ergreifen. Im Lauf der Jahre hat § 17 KSchG allerdings eine immer größere Bedeutung auch für das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erhalten. Viele Kündigungen sind wegen Fehlern des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Erstattung der Massen-entlassungsanzeige unwirksam. Dass die Agentur für Arbeit auch bei einer korrekten Handhabung durch den Arbeitgeber nicht anders reagiert hätte, spielt dabei keine Rolle. Von großer Bedeutung für den Arbeitnehmer ist, dass das Arbeitsgericht nicht von Amts wegen überprüft, ob die Masseentlassungsanzeige ordnungsgemäß und fehlerfrei ist. Hierzu bedarf es im Prozess einer ausdrücklichen Rüge des Arbeitnehmers. Unterbleibt eine solche Rüge vergibt der Arbeitnehmer erhebliche Prozesschancen.