11.03.2013

Diskriminierung: Indizwirkung von Statistiken und widersprüchlichem Verhalten des Arbeitgebers

Der Fall

Die Arbeitnehmerin ist bei einer gesetzlichen Unfallversicherung befristet angestellt. Sie ist türkischer Herkunft. In der Bezirksverwaltung, in der sie eingesetzt ist, werden im Übrigen nur deutsche Arbeitnehmer beschäftigt. In anderen Bezirksverwaltungen hingegen ist der Anteil von Arbeitnehmern nichtdeutscher Herkunft deutlich höher. Der Arbeitgeber übernimmt die Arbeitnehmerin nach Befristungsende nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Gleichzeitig werden weitere Arbeitsverhältnisse mit deutschen Arbeitnehmern entfristet. Die Arbeitnehmerin erhebt daraufhin eine Klage auf Zahlung von Schadensersatz und einer Entschädigung. 

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 21.06.2012 – 8 AZR 364/11)

Es stellte sich die Frage, ob ein Kausalzusammenhang zwischen der Benachteiligung (unterlassene Entfristung des Arbeitsverhältnisses) und dem verpönten Merkmal (ethnische Herkunft der Arbeitnehmerin) bestand. Hierfür ist es ausreichend, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung des Arbeitgebers beeinflusst hat.

Insofern ist es im ersten Schritt Sache des Arbeitnehmers, Hilfstatsachen vorzutragen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf einen entsprechenden Kausalzusammenhang schließen lassen.

Nach Auffassung das BAG ergibt sich allein aus dem Umstand, dass innerhalb des gesamten Unternehmen Arbeitnehmer aus 13 Nationen beschäftigt sind, im Betrieb der betroffenen Arbeitnehmerin mit Ausnahme ihrer eigenen Person jedoch nur deutsche Beschäftigte tätig werden, kein Indiz für eine unzulässige Diskriminierung nach § 22 AGG. Zwar können sich aus Quoten und Statistiken grundsätzlich Indizien für eine Diskriminierung ergeben. Eine bloße Unterrepräsentation einer Gruppe bestimmter Nationalitäten in der Belegschaft ist jedoch für sich genommen nicht hinreichend aussagekräftig. Dies kann beispielsweise darauf beruhen, dass eine individuelle Präferenz der Gruppenmitglieder für bestimmte Branchen besteht. Des Weiteren kann eine Unterrepräsentation durch die Bewerberlage zu erklären sein. Allein die einseitige Belegschaftsstruktur reichte dem BAG mithin nicht aus.

Allerdings wies es ergänzend darauf hin, dass es Indizcharakter hat, wenn der Arbeitgeber Gründe angibt, die im Widerspruch zu seinem sonstigen Verhalten stehen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die unterbliebene Entfristung mit Leistungsmängeln erklärt wird, andererseits hingegen ein Zeugnis erteilt wird, welches gute Leistungen bescheinigt. Darüber hinaus kommt auch wechselnden Begründungen des Arbeitgebers Indizcharakter zu. 

Fazit

Sofern eine Diskriminierung allein mit Statistiken nachgewiesen werden soll, ist deren Aussagekraft kritisch zu hinterfragen. Das BAG hat bereits in einem anderen Fall entschieden, dass die im vorliegenden Urteil gemachten rechtlichen Vorgaben sinngemäß auch auf das zahlenmäßige Verhältnis von Frauen und Männern in der Belegschaft gelten.

Dem Arbeitnehmer ist zu empfehlen, sämtliche Äußerungen des Arbeitgebers sorgfältig zu dokumentieren. Der Arbeitgeber sollte dagegen darauf achten, dass er sich nicht widersprüchlich verhält und insbesondere keine wechselnden Begründungen für seine Entscheidung gibt.