23.03.2015

Kündigung: kein Schutz des Arbeitnehmers durch Rechtsirrtum

Der Fall

 

Die Arbeitnehmerin ist als außertarifliche Mitarbeiterin beschäftigt. Eine bestimmte wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit ist im Arbeitsvertrag nicht festgelegt. Für die AT-Mitarbeiter gilt Vertrauensarbeitszeit. Die tatsächlich geleisteten Zeiten werden dokumentiert. Nachdem die Arbeitnehmerin nach Auffassung des Arbeitgebers ein Stundendefizit von 686 Stunden aufgehäuft hat, fordert dieser sie dazu auf, künftig mindestens 38 Stunden pro Woche zu arbeiten. Dies verweigert die Arbeitnehmerin mit dem Argument, eine bestimmte Arbeitszeit sei ja im Arbeitsvertrag nicht festgelegt. Nachdem die Arbeitnehmerin in der Folgezeit dann wiederholt die vom Arbeitgeber eingeforderte wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden unterschreitet, spricht dieser im Februar 2011 eine außerordentliche fristlose Kündigung aus. Hiergegen wendet sich die Arbeitnehmerin mit der Kündigungsschutzklage. Im Mai 2013 wird in einem weiteren arbeitsgerichtlichen Verfahren rechtskräftig festgestellt, dass die Arbeitnehmerin zur Einhaltung einer Wochenarbeitszeit von 38 Stunden verpflichtet ist.

 

 

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 29.08.2013 – 2 AZR 273/12)

 

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist die Kündigungsschutzklage unbegründet. Die Arbeitnehmerin hat sich beharrlich geweigert, pro Woche 38 Stunden tätig zu sein. Ein solches Verhalten stellt typischerweise einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung dar. Auch die darüber hinaus erforderliche Interessenabwägung fällt in dem entschiedenen Fall zu Lasten der Arbeitnehmerin aus. Die Arbeitnehmerin kann insbesondere nicht mit dem Argument gehört werden, sie sei im Hinblick auf die geschuldete Arbeitszeit einem unvermeidbaren Rechtsirrtum unterlegen. Verweigert ein Arbeitnehmer die Ausführung einer Weisung des Arbeitgebers in der Annahme, er sei an diese nicht gebunden, hat er grundsätzlich das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung im Nachhinein als fehlerhaft erweist. Ein Rechtsirrtum ist nur dann unverschuldet und damit beachtlich, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Arbeitnehmer sie sorgfältig geprüft oder sich zuverlässig erkundigt hat. Diese Voraussetzungen waren vorliegend nicht gegeben. Aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der überwiegenden arbeitsrechtlichen Literatur ergibt sich, dass bei einer fehlenden Festlegung der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag grundsätzlich die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart gilt. Dementsprechend hätte die Arbeitnehmerin bei verständiger Würdigung erkennen können, dass sie zur Ableistung von 38 Stunden pro Woche verpflichtet ist.

 

 

Fazit

 

Die Verteidigung eines Arbeitnehmers, hinsichtlich einer erwiesenen Pflichtverletzung treffe ihn kein Verschulden, da er sich in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden habe, führt in der Praxis nur in seltenen Ausnahmefällen zum Erfolg. Zu beachten ist insbesondere auch, dass sich der Arbeitnehmer grundsätzlich das Verschulden seines Rechtsanwalts oder sonstigen juristischen Beraters über § 278 BGB zurechnen zu lassen hat. In diesem Fall kommen freilich Regressansprüche gegen den Berater in Betracht.

 

Ist der Arbeitnehmer der Auffassung, er brauche die ihm zugewiesene Arbeit nicht oder nicht in der angeordneten Form und Zeit zu verrichten, sollte er dies gleichwohl unter Vorbehalt tun, um keine fristlose Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung zu riskieren. Parallel hierzu kann er die zweifelhafte Rechtslage in aller Ruhe durch die Erhebung einer Feststellungsklage klären lassen.